Expertenmeinung: Ein russischer Unternehmer mit deutscher Erfahrung

Expertenmeinung: Ein russischer Unternehmer mit deutscher Erfahrung

29.06.2018 Unternehmensmeldungen

Aus der Rede des Präsidenten der Unternehmensgruppe EkoNiva Stefan Dürr vor dem Föderationsrat am 20. Juni 2018

Über Agrarpolitik

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In den 90er Jahren war es schwer, in Russland zu arbeiten … Seit der Jahrtausendwende ist die Agrarpolitik schlüssig, sie setzt auf Innovation und wirtschaftliches Wachstum. Wir haben seitdem in vielen Bereichen Ernährungssicherheit erreicht, effiziente Unternehmen aufgebaut, unter anderem mit einem großen Exportpotential. Die Ziele, die der russische Präsident im Hinblick auf die Exportsteigerung gesetzt hat, können wir erreichen!

Über den ländlichen Raum

Fährt man in den Norden von Norwegen, findet man lebendige ländliche Regionen vor, weil dort Landwirtschaft betrieben wird. In unmittelbarer Nachbarschaft dagegen, jenseits der Grenze, im Norden Schwedens, gibt es keine Dörfer, sondern lediglich Tundra, weil diese Region nicht landwirtschaftlich genutzt wird.

In Russland haben wir in vielen Regionen landwirtschaftliche Gebiete erhalten. Manch einer fragt, wozu wir in den Gebieten Kostroma oder Archangelsk Landwirtschaft brauchen? Ich bin der Meinung, dass es überall Landwirtschaft geben sollte, weil nur so die russischen Dörfer am Leben bleiben. Auch wenn das aus wirtschaftlicher Sicht ein teures und nicht immer effektives Ziel ist. Aber für den Erhalt des Landes und ländlicher Gebiete ist die Landwirtschaft außerordentlich wichtig.

Über Gesetze

Wir benötigen ein zeitgemäßeres Gesetz über das Zuchtwesen, auf diesem Gebiet sind unsere Rechtsvorschriften leider sehr veraltet. Auch auf ein Gesetz über den ökologischen Landbau warten wir ungeduldig, ein Entwurf wird derzeit geprüft.

Notwendig sind auch Änderungen am Bodengesetz, soweit es Regelungen zu brachliegenden Böden betrifft. Wir erleben es heute nicht selten, dass Böden nicht bewirtschaftet werden, auf ihnen wachsen Birken. Findet sich schließlich jemand, der an ihrer landwirtschaftlichen Nutzung interessiert ist, fließen staatliche Fördergelder für die Rodung und das Inverkehrbringen des Bodens. Man könnte den Wildwuchs aber auch verhindern. Es gibt auch Fälle, in denen der Boden nach drei Jahren auf dem Papier verkauft wird, um seine Beschlagnahmung abzuwenden. Hier müssen bestehende Gesetzeslücken geschlossen werden. Ungenutzter Boden muss an Wirtschaftsteilnehmer verkauft werden, die ihn bearbeiten wollen.

Über ausgewogene Strategien

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Ohne ausländische Technik werden wir nicht auskommen. Zumindest noch eine bestimmte Zeit. Ich habe volles Verständnis, dass es notwendig ist, Gegenmaßnahmen zu den Sanktionen zu ergreifen. Aber wir schaden unserer Landwirtschaft, wenn wir die Einfuhr von Technik und Technologie übermäßig beschränken. Ich bitte darum, im Einzelfall einer Einfuhr von Landtechnik und Technologie zu prüfen, ob sie unseren Landwirten schadet oder nützt.

Über die junge Generation

Wenn wir wollen, dass junge Leute auf’s Land ziehen, um dort zu arbeiten, dann müssen wir für sie gleiche Bedingungen schaffen wie in der Stadt. Nimmt ein junger Spezialist ein Beschäftigungsverhältnis in einem Landwirtschaftsbetrieb auf, müssen für ihn zwei arbeitsfreie Tage pro Woche, Urlaub und Lebensbedingungen wie in der Stadt gewährleistet sein.

Es gibt einen Mythos, der besagt, dass in der Landwirtschaft niemand arbeiten möchte. Dieser ist allerdings von der Realität weit entfernt! In den vergangenen 4-5 Jahren ist das Image der Landwirtschaft deutlich gestiegen. Und wir erleben junge Leute, echte Enthusiasten, die in der Landwirtschaft lernen und arbeiten wollen.

Über die Ausbildung

Es ist manchmal beschämend, in einer Fachhochschule für Agrarwesen zu hören: Wir besuchen Sie, um praktische Erfahrungen zu sammeln. Grundsätzlich sollten die Institute den landwirtschaftlichen Erzeugern vorausgehen. Viele sind dazu jedoch nicht in der Lage, weil sie nicht angemessen gefördert werden.

In manchen Rajons haben wir Landwirtschaftsklassen eingeführt, damit die Kinder bereits an die Landwirtschaft herangeführt werden. Das Niveau der Fachschulen muss angehoben werden. Wenn wir uns mit unserer Landwirtschaft auf dem Weltmarkt behaupten wollen, dann darf die Timirjasew-Akademie in Moskau nicht hinter der Bauman MSTU, die Staatliche Landwirtschaftsuniversität in Woronesch nicht hinter dem MIRT zurückstehen. Nur so kommen wir weiter.

Über fairen Wettbewerb

In den letzten Jahren haben wir viele Viehzuchtkomplexe gebaut, wir werden gefördert, bekommen günstige Darlehen. Aber diese Bemühungen werden ins Leere laufen, wenn es uns nicht gelingt, das Problem der Produktfälschung zu lösen.

Wir können im Wettbewerb mit den Amerikanern, den Neuseeländern und sogar mit den Weißrussen bestehen, wenn der Wettbewerb fair ist. Das wird uns niemals gelingen, wenn wir gegen Palmöl konkurrieren. Wenn dieses Problem nicht bald gelöst wird, werden viele Betriebe nicht überleben. Und nach der Sommersaison werden wir sehen, dass die Milchkuhherde dramatisch schrumpft. Damit es dazu nicht kommt, erwarten wir ernsthafte Maßnahmen im Kampf gegen Produktfälschungen.